Montag, 25. November 2013

Hera

Hera, Königin der Götter und Herrin des Himmels ist für uns heute eine geheimnisvollere Göttin, als es zunächst scheint. Aber so wie der heldenhafte Weg des Zeus zum König der Götter vergessen ging und aus ihm ein wenig zugänglicher Allgott gemacht wurde, bleibt uns von Hera "nur" ihre Mythen, die ein nicht vollständiges Bild der Göttin zeigen.
Das Bild links zeigt Hera in einer Gestalt die schon sehr stark der Juno ähnlich war und ihre römische Interpretation war ihrem Wesen weitaus zugeneigter. In der homerischen Dichtung war sie zwar eine gefürchtete Gestalt, aber vor allem die streitende eifersüchtige Gattin des Zeus, der sie sogar schlagen und fesseln durfte. Schön das alsweilen auch erwähnt wird, das er hin und wieder vor ihrem Zorn auch sich fürchten durfte und ein moderner Comicautor, O'Connor hat in seiner Mythennacherzählung über Hera, sie als das gezeigt was sie sein könnte.
Zu den Comics
Er schreibt da etwas was mich selbst sehr berührt hatte und heute kann ich so wie er sagen: in gewisser Weise ist Hera meine Lieblingsgöttin.
Die Mythen beschreiben sie als rachsüchtig und verheerend in ihrem Zorn, die Liebhaberinnen ihres Mannes und deren Söhne von Zeus mit furchtbaren Schicksalen strafend. So ist das auch heute viele ihrer Verehrung gegenüber äußerst ambivalent gegenüber stehen. Nun ist es aber nun mal der Anspruch an einen traditionellen Hellenisten, aber auch jeden ernsthaften Polytheisten, allen Gottheiten Ehrehrbietung dar zu bringen. Und so kommt eigentlich jeder Hellenist dazu sich mit ihr auseinander zu setzen.

In Hera zeigen sich die Nachteile wenn sehr viel von der Dichtung überliefert ist, aber wenig vom Kult. Und es zeigt sich aber im Kult des Alltags, wie die eigentliche Bedeutung einer Gottheit für die damals lebenden Menschen aussieht. Das stärkste Beispiel hierfür ist Hestia, die nur eine Randbemerkung in der Dichtung erfährt, aber eine zentrale Bedeutung in dem Kult besitzt. Außerdem zeigt sich auch hier die komplexe Synthese aus verschiedenen Vorstellungen über eine Gottheit aus aufeinander treffenden Kulturen, friedlich wie brutal, über die Jahrhunderte. Und wir haben nur das Ergebnis der Dichtung. Dichtung, die durchaus mit Absicht nieder geschrieben wurde und eine reine Sache der Männer war. Dennoch zeigt sich grade in den Taten der Hera etwas, was sich leicht übersehen lässt und mir von einem griechischen Gesprächspartner selbst aufgezeigt wurde: ihre Macht.

Ihre Macht und die schicksalhaften Folgen, die große Helden, wie Herakles erst hervor gebracht haben, oder den Gott Dionysos der orpischen Mysterienschule oder oder oder...

Es ist das archaische Griechenland. Die Eingeborenen haben mehrere Einwanderungs- und Eroberungswellen aus dem indoeuropäischen Raum erleben müssen und es ist eine Gesellschaft entstanden die äußerst patriarchal ist. Frauen sind in jeder Form ein Besitz. Sei es als Sklavin, Tochter oder Ehefrau oder als Hetäre, die zu kaufen ist. Es gab den Strafbestand der Vergwaltigung, aber nur in der Form, wenn eine Frau höheren Standes derart mißbraucht wurde. Ansonsten war sie dem ihr zugedachten Manne unterlegen und zudem noch ein offenbar  unheimliches Wesen, das es gilt gezähmt zu werden, wie man aus den Hochzeitsriten schließen kann. Andere Kulturen der Umgebung, wo Frauen vielleicht anders handeln konnten waren entsprechend auch schnell barbarisch in den Augen v.a. der Athener, die schon in Richtung Sparta skeptisch schauten, wo die Frauen auch keine beneidenswerte aber andere Rolle inne hatten.

In diesem Kontext wird Hera, die Königin des Himmels beschrieben. Und je nach Dichtung hat sie ihre Macht entweder nur allein durch die Heirat mit Zeus oder weil sie selbst so mächtig ist.
Und in diesem Kontext sind einige Erzählungen und Attribute von ihr äußerst spannend.

Hera ist in ihren Aufgaben vor allem die Göttin der (erwachsenen) Frauen und der Heirat. Daneben gibt es Erwähnungen die nahe legen, das sie auch über die Winde herrscht und die Gabe der Prophezeiung gewähren kann. Die heftigen Stürme der Gewitter legen manche Autoren nahe, das diese das Äquivalent zu den dichterischen Auslegungen über den ständigen Streit zwischen Zeus und Hera wäre.
Uns heute mag das mit der Heirat als nicht so wichtig erscheinen, aber mit dieser Thematik sind wir schon fast mittendrin in der archaischen Gesellschaft in der die polis (der Stadtstaat insgesamt), die Religion, das öffentliche Leben und das private nicht wirklich getrennt waren sondern unverkennbar miteinander verwoben. Die Heirat war das wesentliche Ziel eines jeden Mannes und jeder Frau und ihre Institution war es die die legitimen Bürger hervor brachte und das wichtigste Glied in dem systematischen Aufbau der polis. Es war die Heirat über die sich der antike Grieche als Mensch getrennt vom Tierreich definierte und die barbarische Vergangenheit hinter sich ließ.
(siehe Schmitt/Pantels Buch zu dem Thema)

In dem himmlischen Götterbereich selbst gab es sonst keine "echten" Ehen wie auf der Erde. Allein Hera kam diese Ehre zuteil, nach all den göttlichen Affären des Zeus diese Verbindung eingehen zu können. Und Hera zeigt sich alles andere als unterwürfig. Oft selbständig und unabhängig in ihren Unternehmungen.
Hera zeigt aber auch ihre große Liebe zu Zeus.
Der bekannteste Beiname von Hera ist Teleia, was die Erfüllte bedeutet. Es ist allein typisch für Hera, die als einzige Göttin aktiv die Vereinigung mit einem (ihrem!) Mann sucht. Und in diesem zusammen kommen keine Nachkommenschaft anstrebt, sondern Erfüllung. Auch gibt es Geschichten von ihr, das sie Zeus, als er geboren wurde (lange nach ihr) als ihren Mann erkoren hatte und Rhea half ihn zu verstecken, als Kronos ihn zu verschlingen drohte

Hera wacht über die Rechte der Frauen, die jetzt durchaus einige inne hatten und ihre rachsüchtige Natur kann darum durchaus auch anders verstanden werden.

In Hera trifft sich die Verehrung einer Göttin, die schon lange im alten Griechenland verehrt wurde und in einer Göttin, die mitgebracht wurde. Das Bauerntum der Antike war vor allem das von Nomaden und es waren auch Nomaden, die kriegerisch über das alte Land herfielen. Und sie brachten vor allem männliche Götter mit. Das hatte seinen Grund in zunächst nicht patriarchalischen Einstellungen sondern in der Zuordnung von Funktionen.
Göttinnen wurden meist mit der Erde und der wachsenden Natur verbunden. Und jeder Ort war eine andere Göttin. Sie blieben zurück, während der Stamm wanderte. Über ihnen der Himmel, mit all seinem Wetter und launen, der überall und allgegenwärtig war. Jeder Stamm hatte einen Donner- und Blitzgott, der auch der Beschützer des Stammes war.
In der polytheistischen Weltvorstellung muß die Gottheit eines jeden Ortes beim Antreffen besänftigt werden oder...erobert. Von dem Gott des wandernden Stammes.

Schon früh habe ich in heutigen Lexika gelesen, das viele Affären des Zeus einst Göttinnen waren und von den Dichtern zu bloßen Sterblichen herab gewürdigt wurden. Interessanterweise soll das unterstützt worden sein von Anhängern der Hera. Und das wäre Grund für die Eifersucht und Wut der Hera. Es passt dazu, das jene Göttinnen des Olymps, die die Frauen des Zeus waren, nicht ihre Wut zu fürchten hatten, sondern vereinzelt sogar wie im Fall der Themis, Freundinnen sind. Leto ist hier eine Ausnahme, aber da denk ich ein andermal drüber nach.

Warum aber manche zu Göttinen wurden, weithin verehrt und andere nicht, ließ mir lange keine Ruhe. Eine Freundin brachte mich dann auf einen Gedanken, der auch mit Attibuten der Hera zu tun hat.
Hier in dem Text wird auf die unterschiedliche Natur der indoeuropäischen Göttinnen eingegangen und erklärt. Hier wird auch klar warum Hestia so wichtig ist, denn das Herdfeuer konnte getragen werden und musste auch stets gehütet werden. Hier kommen auch ganz archaische Themen hoch, das Feuer machen kein leichtes war, und wenn es da war musste es sorgsam bewacht und auch verehrt werden, das es bleibt, denn es war essentiell zum überleben.
Demeter wurde eine olympische Göttin, da eine Getreidegöttin nicht abhängig von einem Ort war, sondern eng verbunden mit den Menschen und ihrem Wissen und diese Vorstellung traf auf einen tausend jahre alten Kult mit Namen Eleusis, der lt. Kerenyi als äußerst bedeutend auch für das Fortbestehen der Griechen allgemein stand (mehr dazu ein andermal).
Und schließlich Hera, die DIE Königin der Götter und des Himmels wurde, was war sie?

Den Schlüssel dazu fand ich in ihrer Beschreibung: Sie ist die wunderschöne weißarmige kuhäugige  Göttin. Sie ist die göttliche Mutter des Viehs, und sie gewährt die tägliche überlebenswichtige Milch.
Wie sehr sie mit Milch in Verbindung steht zeigt sich in dem Mythos, das Zeus sie überlistet haben soll, den Herakles zu säugen (Bild dazu). Als sie es bemerkte schob sie ihn so heftig von sich, das der Rest Milch aus ihren Brüsten, die Milchstrasse formte, die wir am Nachthimmel sehen können.
Und welche Bedeutung Hera hierdurch erfährt hilft vielleicht dadurch zu verstehen, das ihre Gestalt aus dem indoeuropäsichen Raum kommt, wo auch der Ursprung vieler Hindugötter liegt, einer Kultur in der Kühe heilig sind und als zweite Mutter gelten.

Es klingt auch in dem orphischen Hymnus an, den ich am Schluß deshalb auch hier schreiben werde.

Was bleibt zu sagen: Hera ist für mich der Inbegriff von Treue. Einer Qualität, die sich selbst genug ist und sie macht deutlich, das das nicht abhängig ist von dem was der andere tut. Sie wird dadurch ein Beispiel für Treue und Loyalität im allgemeinen und ich denke das ist auch das was die Römer erkannten, als sie Hera als bildliches Vorbild für ihre Juno nahmen, die die Schützerin des Staates wurde. Sprich, es geht um die höchste Tugend. Ohne diese lebt weder echte Freundschaft, Familien zerbröckeln noch überlebt gar eine Ehe lang, am Ende versinkt eine ganze Gesellschaft im Chaos.
Sie zeigt aber auch das sie erzürnt werden kann, wenn genau diese Prinzipien verletzt oder mißbraucht werden. Wie die Erinnyen kann sie jemanden mit Wahnsinn schlagen, der dann erst recht hingeht und durch eigenes Tun alles verliert, was ihm wichtig ist.

Und natürlich hat Hera noch mehr Seiten. Ich denke aber auch, das wir vieles wieder entdecken müssen. Sie war nicht umsonst in ganz Hellas vererht, am meisten neben Zeus in den Mythen erwähnt und Schutzpatron der Argonauten.

Von dunkelblauen Gewändern umhüllte
Luftgestalt, Allkönigin Hera,
Selige Lagergenossin des Zeus!
Du gewährest den Sterblichen
seelennährende, gnädige Winde
Mutter der Regengüsse,
nährend die Winde, alles erzeugend:
nichts Lebendes keimt ohne dich
Auf zum fröhlichen Wachstum.
Allen teilst du dich mit
Aufeglöst in heiliger Luft
Alle lenkst du allein,
allen gebietest du,
Von wirbelnden Lüften im Strome erschüttert.
Auf denn, selige Göttin,
Allkönigin, reich an Namen,
Mit schönem, freudigen Antlitz,
Erscheine uns gnädig gesinnt!
(Orpheus, altgriechische Mysterien, von J.O. Plassmann)

Hera

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